Ich lasse mich
ja nur höchst selten und ungern über die Qualität von
Bausätzen aus, aber diesmal muss das sein.
Der Grund ist dieses Boot. Es ist der OWENS DELUXE
CRUISER, ehemals von LINDBERG, inzwischen von ROUND 2.
Der Bausatz stammt ursprünglich aus den späten 1950ern.
Damals waren die Dinger noch nicht so dolle.
Und waren auch in erster Linie als preiswertes Hobby für
Kinder und Jugendliche gedacht.
Da machte es nichts aus, wenn Teile nicht passten oder in
der Bauanleitung, sagen wir mal, UNGEREIMTHEITEN
auftraten. Alles okay. Nun leben wir aber im 21.
Jahrhundert und man kann mit den alten Formen und
Urmodellen,
wenn man sie übernimmt, einiges machen. ROUND 2 hat bei
Automodellen im Maßstab 1/24 oder 1/25 oft genug
bewiesen, dass sie es können. Aber dieses eigentlich
schmucke Boot haben sie so belassen, wie es damals war.
Resultat: Es passt NICHTS! Gar nichts. Das Ding ist, so
wie es aus dem Karton kommt, SCHROTT. Hinzu kommt,
dass die Bauanleitung an mindestens zwei Stellen LÜGT.
Zumindest das zu ändern, wäre kein Problem gewesen.
Sollte man annehmen.
So verbraucht allein der Rumpf eine Unmenge an
Spachtelmasse. Ich habe noch nie in meinem Leben eine
solche
Menge an Putty für ein Modell verbraucht. Nur für den
Rumpf. Der Aufbau benötigt ebenfalls noch eine ganze
Menge
Spachtel. Dann sind an der Innenseite der Aufbauten
"Klebekontakte" für die Dach- und
Seitenelemente angebracht,
die aber das Ankleben der Plastikfolien (die "Fenster")
zuverlässig verhindern. Und hat man diesen Aufbau
einigermaßen
zusammengeschustert und will ihn auf dem Rumpf montieren:
Pustekuchen. Alles krumm und schief und verzogen.
Das sieht nicht einmal mehr mit Spachtelmasse gut aus.
Ich hab's probiert. Und es dann wieder sein gelassen.
Dazu kommen noch ein paar Kleinigkeiten, die aber an
dieser Stelle weniger erwähnenswert sind.
Also zusammengefasst: Dieses Boot ist eine
plastikgewordene Frechheit. Und dazu gesellt sich noch
eine echte
Unverschämtheit. Auf der Website von ROUND 2 findet sich
nämlich auch die eine oder andere Beschwerde darüber,
dass man NICHTS an den Formen gemacht hat. Reaktion des
Herstellers: Die lapidare Aussage, dass man den "Skill
Level"
von "2" auf "3" (oder so)
heraufgesetzt hat. Was, bitte, liegt dann nach dieser
Logik in einem mit Stufe "4" ausgewiesenen
Karton? 5 Bogen Plastiksheet zum Selberbiegen, -ausschneiden
und -formen? Und bei Stufe "5" dann ein
Plastikblock und ein
Schnitzmesser? Warum sie das gemacht haben, ist klar. Sie
wussten, dass es Automodelle (und schöne dazu) wie Sand
am
Meer gibt. Sport- und Vergnügungsboote gibt es nur sehr
wenige (die CORONADO zum Beispiel. Auch, wen wundert's,
ursprünglich von LINDBERG). Da freut sich der dumme
Modellbauer und kauft sie, egal wie mistig sie sind. Er
hat ja keine
Auswahl.
Wenn ich also nicht zufällig die beiden Mädels aus
GIRLS UND PANZER (der Film) im Maßstab 1/24 gehabt
hätte und nicht
auch noch einen neuen Plastikkleber (nämlich den von
DELUXE MATERIALS, der sehr gut ist) hätte ausprobieren
müssen,
weil es den VOLLMER SUPRANOL ja nun nicht mehr gibt (Auch
toll. Da greift wieder die alte Logik. Ein Produkt ist
gut,
es funktioniert, die Leute kaufen es - also nehmen wir es
vom Markt.), dann hätte ich das Geld für die
Anschaffung dieses
Monsters abgeschrieben und das Teil fachgerecht im gelben
Sack endgelagert.
Erwähnenswert ist übrigens noch der Abziehbilderbogen,
für den sie auf der Box ein Fass aufmachen. Der ist
nämlich (huiii!)
von CARTOGRAF. Ja. Und winzig. Da hätte man einiges an
Deko beifügen können. Einfach um dem Kunden ein Gefühl
von "Wert" zu geben. Sie tun das oft genug bei
den Automodellen. Sonderteile drin, Farbvarianten, mal
das eine oder andere
Booklet - Die haben schon gute Ideen bei ROUND 2. Aber
hier passiert nichts. Warum auch? Siehe oben.
Der besagte "blöde Modellbauer". Und richtig
verhöhnt kommt man sich dann noch vor, wenn man auf dem
Karton liest,
das Ding sei "voller Stolz in den USA hergestellt"
worden.
Wenn du, lieber Leser, also dieses Modell irgendwo
angeboten siehst und du den einen oder anderen
Habgierschub verspürst:
Sieh zu, dass du es günstig erwirbst. Zahl auf keinen
Fall internationalen Versand und eventuell
Einfuhrumsatzsteuer.
Und sei dir bewusst, dass du sehr viel Zeit, Geduld,
Nerven und Spachtelmasse wirst investieren müssen, bis
du überhaupt ein
einigermaßen hübsches Boot in derVitrine stehen hast.Und
denke daran: Wir leben in einer arbeitsteiligen
Gesellschaft:
Der Job des Herstellers ist es, einen vernünftigen
Bausatz auf den Markt zu bringen, den man einigermaßen
VERNÜNFTIG
zusammenkleistern kann.
Dein Job ist es, diesen Bausatz eben vernünftig zu
montieren und nett zu bemalen. Dein Job ist es nicht,
Schlamperei, Inkompetenz,
Faulheit, Geiz und Bequemlichkeit des Herstellers zu
kompensieren. Eines Herstellers, der über genügend
Erfahrung verfügt und
es mit seinen Ressourcen gescheit hinkriegen MUSS. Wenn
wir zum (sagen wir mal) C&A gehen und einen Pullover
kaufen -
Und dem fehlt dann ein Ärmel, lernen wir dann stricken
und nähen? Eben.
Wohlgemerkt: Ich spreche hier in diesem Moment über
massenproduzierte Plastikbausätze, nicht von Garage Kits,
die von Hobbyisten
und Amateuren hergestellt werden. Da gelten ganz andere
Gesetze.
So, das war's.
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